Die English Drama Group präsentiert ein zeitgenössisches Stück und reißt das Publikum mit ihrer Lust am Spiel mit.
Von der Bühne über Make-Up/Kostüme (Letizia Trovato) und Technik (Dank an die Technik-AG) bis hin zur Band mit mal melancholischer, dann wieder fetziger, aber immer passender Musik ist alles perfekt im Einklang und harmonisch auf die Handlung abgestimmt.
Chor (Applaus für die Spieler*innen mit den knalligen Perücken) und großflächige Leinwand tun ihr Übriges dazu, die Handlung entscheidend zu kommentieren und für uns Zuschauer transparent zu machen. So werden wir beispielsweise über eine weit offene, nasskalt verregnete, nächtliche Gasse in eine speziell englische Atmosphäre gezogen, die dem Stück seine besondere Note gibt.
Der größte Teil der Handlung spielt vor einem riesigen Tresen (tolle Idee!), der die Pub-Atmosphäre glänzend wiedergibt: Allerlei angetrunkenes, zu jedem Gossip bereites Gesocks (Kompliment an alle Darsteller*innen – ihr habt gekonnt überzeugt) wartet dort jeden Abend darauf, dass endlich etwas passiert. Kneipenbesitzer Harry (Jayden Rufenach) – ein geläuterter(?) Henker– hat dort das Zepter fest in der Hand, bis der zwielichtige Mooney (Gabriel Frisch) aufritt und die 15-Jährige Tochter (Mariam Frank) Harrys plötzlich verschwindet. Nun ist es vorbei mit guter Laune und Philosophiererei über mögliche Ungerechtigkeit der Todesstrafe: Shirley muss zurück, da schreckt man auch vor Folter nicht zurück. Mooney wird an den Galgen gehängt (echt!) und dort unter einem Tuch versteckt.
Nun taucht Pierrepoint (Lukas Köhler) – der historisch verbürgte Henker Englands – auf und reißt während eines vernichtenden Monologs den Stuhl, auf dem Mooney steht, weg. Ein schreckerfülltes Raunen geht durch das Publikum – Mooney hängt! – und, wer hätte es gedacht, Shirley taucht im selben Moment wieder auf. Vielleicht hat sie den herzerweichenden Song ihrer Mutter (Paula Macheil) gehört und beschlossen, ihr zuliebe nach Hause zu kommen? Gerechtigkeit – so schließt Harry einsam nach einem Gemetzel an seinen Gästen – gibt es nicht: Dafür steht auch der in der Eingangsszene gehenkte Hennessy (Fanziska Jacques), der bis zum Ende seine Unschuld beteuerte.
Hinter Harry taucht der Abspann auf und zurück bleibt ein zuerst leicht verunsichertes, dann aber zunehmend euphorisches Publikum, das möglicherweise einen Moment braucht, um das Gesehene zu verdauen.
Am Ende wird auf der Bühne eines deutlich: Hervorragende schauspielerische Einzelleistungen kommen besonders dann zum Tragen, wenn ein funktionierendes Team dahintersteht, in dem jeder seine Rolle hat und ernstgenommen wird. Diese Kunst, das Team zur Perfektion zu treiben, beherrscht Ilka Springmann und dafür gebührt ihr jedes Jahr aufs Neue unser besonderer Dank.
Text: Michaela Worm
Fotos: Michael Gellrich, Matthias Ahrens
Trailer: Michael Gellrich