Am 13.3.21 jĂ€hrte sich die Entscheidung, die Schulen aufgrund der CORONA-Pandemie zu schlieĂen und massive BeschrĂ€nkungen fĂŒr das Leben in Deutschland einzufĂŒhren – der Einstieg in den ersten Lockdown!
Aber wie wurde die Pandemie eigentlich im Ausland wahrgenommen? Dazu lassen wir ehemalige SchĂŒlerinnen und SchĂŒler der Goetheschule zu Wort kommen, die das letzte Jahr im Ausland verbracht haben. Zum Vergleich schildert Elisa – aktuell SchĂŒlerin der Klasse 8a – ihre Erinnerungen an das Jahr.
Mein Jahr mit Corona
von Elisa Mohn, Klasse 8a, Osterferien 2021
Hey, ich bin Elisa und gehe in die 8A đ
Und das sind meine Erfahrungen mit einem Jahr Corona in Deutschland.
Ich kann mich noch genau an den letzten Schultag vor dem ersten Lockdown erinnern. Es war Freitag der 13. MĂ€rz 2020. In der letzten Stunde hatten wir Sport. Am Ende umarmten meine Freunde und ich uns alle und freuten uns schon, dass wir uns alle ganz hĂ€ufig treffen könnten, wenn wir nun nicht mehr in die Schule gehen âdurftenâ. Doch das passierte natĂŒrlich nicht. Eine Freundin traf ich erst Mitte April wieder.
Es war ganz neu, jetzt niemanden mehr – auĂer meiner Familie – zu sehen, nicht einkaufen zu gehen und eigentlich erstmal nur zu Hause zu sein. Plötzlich merkte ich, dass es mit dem Virus wirklich ernst ist. Ich hatte etwas Angst, als ich hörte, dass sich an einem Tag so viele Menschen anstecken und sterben. Die 7-Tage Inzidenz lag Mitte MĂ€rz 2020 unter 10, heute, ca. ein Jahr spĂ€ter, liegt diese bei ĂŒber 130.
Meine Eltern mussten zunĂ€chst „normal“ arbeiten, also nicht im Homeoffice. Da wir nicht so viele Freunde und Verwandte treffen konnten, haben wir viel mehr Zeit drauĂen und als Familie miteinander verbracht. Zum Beispiel waren wir viel mehr im Garten und haben einige Fahrradtouren unternommen. In dieser Zeit habe ich SpaĂ am Fotografieren und damit ein neues Hobby gefunden.
Wir haben deutlich hÀufiger zu Hause gekocht und viele neue Rezepte ausprobiert. Ich habe gemerkt, wie bequem es war, dass man in der Schulzeit mittags einfach in die Mensa ging.
Es gab auch einige coole Aktionen wie das Musizieren vor dem Haus. Viele Menschen haben âFreude schöner Götterfunkenâ fĂŒr alle helfenden Berufe in dieser Zeit gespielt.

Da wir so viel Zeit zu Hause verbracht haben, haben wir viel renoviert, zum Beispiel auch mein Zimmer :).
Um Kontakt mit meinen Freunden zu halten, haben wir viel âGeFaceTimed“ und hĂ€ufig UNO, Mensch Ă€rgere dich nicht, Stadt Land Fluss oder Cluedo online zusammen gespielt.

AuĂerdem habe ich mich mehr mit Technik-Krams beschĂ€ftigt, habe viel installiert und bin deutlich selbststĂ€ndiger geworden.
Irgendwie war im ersten Lockdown alles viel „entspannter“. Videokonferenzen gab es bei uns damals kaum, Aufgaben eher wenige, in manchen FĂ€chern auch gar keine, was sich jetzt komplett verĂ€ndert hat.
Als wir dann zum ersten Mal wieder einkaufen waren, hatte ich irgendwie ein komisches GefĂŒhl diese ganzen leeren Regale zu sehen.

Es kam mir so unwirklich und komisch vor.
Im Sommer 2020 war wieder viel mehr möglich, obwohl meine Ferienfreizeiten, TheaterauffĂŒhrungen und Konzerte ausgefallen sind. So konnten wir in den Sommerferien an die Ostsee und auf den Bauernhof meiner GroĂfamilie fahren. BeschrĂ€nkungen gab es kaum.

Nach den Sommerferien waren wir alle wieder in der Schule, und es war cool, die HÀlfte der Klasse wiederzusehen. Doch viele Leute fehlten und es war immer noch nicht so normal. Leider ist unsere Klassenfahrt in den Harz ausgefallen, denn im Herbst stiegen die Fallzahlen, sowie die TodesfÀlle wieder deutlich an.
Meine Ur-Oma wurde im September 99 Jahre alt und wir durften sie nur zu zweit besuchen. Sie sagte zu meinem Papa und mir: âWir mĂŒssen die Feste feiern, wie sie fallen. NĂ€chstes Jahr an meinem 100. lassen wir aber richtig die Korken knallen und feiern mit allen lieben Menschen.“ Einen Monat spĂ€ter bekam meine Ur-Oma Corona und starb kurze Zeit darauf. FĂŒr mich war das eine sehr schwere Zeit, da ich ein sehr enges VerhĂ€ltnis zu ihr hatte.
Zum Jahresende begann die Schule wieder im A-Szenario. Wir mussten in einem kurzen Zeitraum ganz viele Klassenarbeiten und Tests schreiben, bis wir einen Monat spÀter bis jetzt ins Homeschooling gegangen sind.
Es ist nun deutlich anders als im letzten Jahr: wir haben viele Videokonferenzen, in vielen FÀchern bekommen wir tÀglich neue Aufgaben.
Die letzte Woche vor den Osterferien war ziemlich heftig und ich bin froh, jetzt einmal wieder etwas abzuschalten zu können, auch Zuhause, obwohl ich gerade eigentlich gerne mehr unternehmen wĂŒrde. Das Reisen und Entdecken neuer LĂ€nder fehlt mir schon sehr.
Es war bis jetzt eine aufregende Zeit, in der ich in vielen Bereichen viel neues gelernt und neue Erfahrungen gesammelt habe. Ich wĂŒrde sagen, dass es ein ganz besonderes Jahr war, fĂŒr mich persönlich auch nicht unbedingt immer im negativen Sinn.
Nach vorne gucken đ !
Elisa Mohn, 8A
Der schwedische Sonderweg â Mein Auslandsjahr zu Corona Zeiten
(Ein Bericht von Frederike Buhr – Abi 2019)
Im August 2019 habe ich mein AuPair Jahr in Schweden begonnen, nichtsahnend, was im Verlauf des Jahres noch auf mich bzw. auf alle zukommen wĂŒrde.
Auch nachdem ich ĂŒber Weihnachten und Neujahr zu Hause gewesen war und Anfang Januar wieder nach Stockholm flog, hatte ich zwar mal gehört, dass es sowas wie das Corona-Virus gibt, aber richtig ernst genommen habe ich dies damals noch nicht.
Selbst im Februar, als wir mit unserer Sprachlehrerin Gunilla im Schwedischunterricht darĂŒber gesprochen haben, inwieweit das Virus uns betreffen wird, nachdem die schwedische Tageszeitung âDagens Nyheterâ schon diverse Artikel darĂŒber geschrieben hatte, dachten wir uns alle, âach, so schlimm wird das schon nichtâ.
Doch dann irgendwann wurde die Lage immer ernster. Aus Deutschland hörte man ĂŒber SchulschlieĂungen, âLockdown-Ăberlegungenâ etc. In Schweden war etwa zu diesem Zeitpunkt âsportlovâ (die schwedischen Skiferien) und natĂŒrlich schritt auch die Virusverbreitung in Schweden sehr arg voran.
Mein Sprachkurs wurde ab dem 18.03. zunĂ€chst fĂŒr zwei Wochen unterbrochen, dies wurde aber immer wieder verlĂ€ngert bis zur Woche 22. Auch SchĂŒlerinnen und SchĂŒler am Gymnasium hatten ab circa Ende MĂ€rz Distanzunterricht. Meine schwedische Gastfamilie hat Freundinnen und Freunde unter anderem in Deutschland, Frankreich und Italien, und als mir meine Gastmutter Anfang April erzĂ€hlte, was man fĂŒr eine fĂŒnfköpfige Familie zum Ăberleben fĂŒr vier Wochen brĂ€uchte, da sie Panik hatte, dass sie nicht mehr richtig einkaufen gehen könnte, war ich schon sehr schockiert, und die Ernsthaftigkeit der Lage wurde mir immer bewusster.


Zudem sind in dem Zeitraum von Ende MĂ€rz bis Anfang April sehr viele AuPairs aus Schweden abgereist. Und nicht nur Freundinnen, die aus den USA kamen, sind abgereist, sondern auch Freundinnen aus nĂ€her gelegenen LĂ€ndern wie Ăsterreich und Deutschland, da sie die Pandemiezeit lieber zu Hause verbringen wollten.
Gedanken, nach Hause zu fliegen, hatte ich natĂŒrlich auch. Vor allem, weil ich Angst hatte, an meinem eigentlich geplanten RĂŒckreisedatum nicht zurĂŒckzukönnen, denn es wusste ja keiner, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wĂŒrde. Meine Gastfamilie hat mir aber versichert, dass sie mich bis dahin noch brauchen und dass sie alles dafĂŒr tun wĂŒrden, dass ich auf jeden Fall Ende Juni/Anfang Juli heim kann. Dass sie mich im Zweifelsfall durch halb Schweden nach Ystad oder Trelleborg zur FĂ€hre nach Deutschland fahren wĂŒrden oder im Ernstfall den ganzen Weg von Stockholm nach Hannover auf sich nehmen wĂŒrden.
Also blieb ich in Schweden und versuchte meine Zeit noch zu nutzen, aber musste mein Leben dort natĂŒrlich auch einschrĂ€nken, auch wenn ja immer vom âschwedischen Sonderwegâ (also z.B. zu diesem Zeitpunkt keine KontaktbeschrĂ€nkungen o.Ă€.) berichtet wird. Dennoch habe ich es dort so wahrgenommen, dass die Menschen die Pandemie schon ernst genommen haben, nur das Infektionsgeschehen wurde leider nicht niedrig gehalten.
Mir persönlich war es durch die Pandemie leider nicht möglich, all das von Schweden zu sehen, was ich sehen wollte. Ich wollte im Sommer noch nach Göteborg und Gotland, aber dies kann ich hoffentlich nachholen, wenn ich im Rahmen meines Studiums noch einmal ein Semester in Schweden verbringe.
Die Zeit lief so dahin, ich habe viel Zeit in diversen Naturreservaten verbracht, die es zum GlĂŒck im Umkreis von Stockholm in groĂen Mengen gibt.

Einen groĂen RĂŒckschlag, der mich selber, aber sicher meine Gastfamilie noch viel mehr getroffen hat, war, dass die Oma meiner Gastkinder Mitte Mai an Corona erkrankt ist und leider nicht dagegen ankĂ€mpfen konnte.
Ende Mai ging mein Sprachkurs wieder los und auch die Kinder sind wieder relativ normal zur Schule gegangen. Mir tat dies schon gut, da ich so in meinem AuPair-Alltag nicht den ganzen
Tag ĂŒber Kinder zu Hause hatte. Irgendwie habe ich aber das GefĂŒhl, dass die Zeit mit den Kindern zu Hause uns noch mehr zusammengeschweiĂt hat, was auch viele andere AuPairs so wahrgenommen hatten.
Mit einem lachenden, aber durchaus auch mit einem weinenden Auge habe ich dann meinen RĂŒckflug nach DĂŒsseldorf gebucht. Der wurde zwar noch x-mal verschoben, ich war mir aber doch relativ sicher, dass ich ganz bald meine Familie und Freundinnen und Freunde wiedersehen kann.
Den letzten Monat habe ich weiterhin das Umland Stockholms erkundet und meine Kontakte weiterhin geringgehalten. Ich wusste ja, dass es in Deutschland zum Beispiel Regelungen dafĂŒr gab, mit wie vielen Leuten man sich treffen darf etc. Dies habe ich zumeist auf mein Leben in Schweden ĂŒbertragen.
Das typische schwedische Fest âMidsommarâ konnte ich zum GlĂŒck in Schweden auch noch im kleinen Rahmen feiern und war sehr froh darĂŒber, dass ich diese Tradition doch in irgendeiner Weise miterleben konnte.
Insgesamt war die Zeit in Schweden super toll. Ich habe arg viel gelernt, und die Corona Zeit ohne meine eigene Familie in einem âfremden Landâ zu verbringen, hat doch zu meiner Persönlichkeitsentwicklung viel beigetragen.
Ich wĂŒrde diese Zeit niemals missen wollen!
Autorin: Frederike Buhr
Corona in den USA
Stand MĂ€rz 2021 (Friederike Teichmann)
Hallo, ich bin Friederike.
Ich habe mein Abitur 2019 gemacht und bin direkt danach, im Juli, als Au Pair in die USA gereist. Dort habe ich mich sehr gut bei meiner Gastfamilie in Colorado eingelebt und neue Freunde gefunden. Mit ihnen habe ich vieles unternommen, bis sich im MĂ€rz 2020 plötzlich einiges geĂ€ndert hat. Eigentlich hatte ich geplant Ende MĂ€rz fĂŒr ein paar Tage aus persönlichen GrĂŒnden nach Deutschland zu fliegen. Jedoch wurde genau eine Woche vor meinem Flug nach Deutschland der Lockdown und das Einreiseverbot hier, in den USA, eingesetzt. Auch der anschlieĂend geplante Urlaub mit meiner Schwester in Mexiko war auf einmal nicht mehr möglich, da sie seitdem nicht mehr einreisen durfte. Ich musste mir ĂŒberlegen, ob ich trotzdem nach Hause fliegen wollte oder den Flug absage und fĂŒr unbestimmte Zeit meine Familie nicht sehe. WĂ€re ich nĂ€mlich nach Deutschland geflogen, hĂ€tte ich nicht wieder in die USA einreisen können. Dies ist bis jetzt eine der schwierigsten Entscheidungen fĂŒr mich gewesen, jedoch schĂ€tzte ich es sehr ĂŒberhaupt eine Wahl gehabt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es viele Menschen, welche genau diese Wahl nicht hatten wie bspw. Menschen im Auslandssemester oder FSJler*innen mit Auslandsaufenthalt. Letztendlich habe ich mich dazu entschieden in den USA zu bleiben und meine Zeit âplanmĂ€Ăigâ und unter positiveren UmstĂ€nden zu beenden.

Diese Entscheidung machte mich in den darauffolgenden Monaten zur Home-Schooling-Lehrerin einer SechsjÀhrigen, die nebenbei eine DreijÀhrige beschÀftigen musste.

Wie alle anderen in Deutschland auch, konnten wir nichts mehr unternehmen, zum Spielplatz gehen und auch Spielverabredungen der Kinder waren nicht möglich. Die SpaziergĂ€nge wurden zu einem Highlight des Tages. Diese halfen mir glĂŒcklicher Weise auch dabei mich in der neuen Wohngegend meiner Gastfamilie zurecht zu finden, in welche wir erst einen Monat zuvor gezogen waren. Meine Gasteltern boten mir an, einkaufen zu gehen, um ĂŒberhaupt mal aus dem Haus zu kommen.

Nach und nach gab es die nĂ€chsten Monate einige Lockerungen, sodass AusflĂŒge an einen See oder normale Treffen mit Freunden wieder möglich waren.

Eine Maskenpflicht und beschrĂ€nkte KapazitĂ€ten, sowie Reservierungen fĂŒr das Besuchen von Pools blieben bis jetzt bestehen. Auch Reisen konnte ich wieder und hatte die Möglichkeit einige neue Orte und StĂ€dte kennenzulernen.

Ăber die letzten Monate gab es dort wieder EinschrĂ€nkungen. In einzelnen Staaten wurde die QuarantĂ€ne fĂŒr Einreisende oder Testvorschriften erlassen. Dies ist zum Beispiel in New York sowie Kalifornien oder Hawaii der Fall. Hier in den USA wird mittlerweile auch gegen COVID-19 geimpft. Jedoch anders als anfangs in der Impfstrategie in Deutschland geplant, werden hier auch schon Menschen geimpft, die in der Kinderbetreuung arbeiten. Darunter zĂ€hlen auch Au Pairs, weshalb ich und viele andere Au Pairs sich haben impfen lassen.
Zu diesem Zeitpunkt hat sich fĂŒr mich persönlich aufgrund des Wechsels des PrĂ€sidenten nichts geĂ€ndert. Die Wahlen vorher haben mich auch nicht wirklich betroffen. Nachrichten ĂŒber die Wahlen habe ich gröĂtenteils ĂŒber meine Gastfamilie, Social Media, aber vor allem viel durch die deutschen Medien und von Freunden und Familie in Deutschland ĂŒber den Wahlkampf erfahren. Es wirkte fast als wĂ€re die Berichterstattung in Deutschland gröĂer gewesen als das, was ich hier mitbekommen habe.
Neben den etlichen direkten Auswirkungen auf den Alltag von fast allen Menschen, wirkt sich COVID-19 momentan auch indirekt auf die Situation von Au Pairs in den USA aus. Durch die von Ex-PrĂ€sident Trump eingefĂŒhrte Sperre fĂŒr das Ausstellen von Arbeits- und SchĂŒlervisa ist es neuen Au Pairs derzeit nicht möglich in die USA einzureisen. Meine Gastfamilie steht dadurch möglicher Weise vor der Situation nach dem Ende meiner Zeit im April eine andere Lösung fĂŒr die Betreuung ihrer Kinder finden zu mĂŒssen, da möglicherweise fĂŒr einige Zeit kein neues Au Pair einreisen darf. Hoffentlich endet diese Sperre wie geplant Ende April und viele weitere Au Pairs bekommen die Möglichkeit die Erfahrung zu machen.
Autor: Friederike Teichmann (Abi 2019)
Wie ich in Schweden Corona erlebe – mitten in der Natur
Noemi Skorzinski in UmeĂ„, Schweden – Abitur 2007
Phase 1 (MĂ€rz-August):
Zu Beginn der Corona-Pandemie war ich in Elternzeit. Im Vergleich zum Rest von Schweden hat mich das ziemlich isoliert. Alle Eltern-Kind-AktivitĂ€ten wurden eingestellt, wĂ€hrend alle anderen wie gewohnt zur Arbeit und zur Schule gingen. Im Privaten sollten Kontakte beschrĂ€nkt werden, wenn möglich nur drauĂen treffen, aber das Arbeitsleben und die Wirtschaft sollten uneingeschrĂ€nkt weitergehen.
Im Mai habe ich angefangen wieder halbe Tage zu arbeiten. Ich arbeite an einer sehr internationalen UniversitĂ€t und das Verhalten der Kollegen spiegelte oft die Situation im Heimatland wider. Es wurde nun empfohlen, wenn möglich, von zuhause zu arbeiten, da es aber keine offiziellen Richtlinien gab, wurde im GroĂen und Ganzen gearbeitet wie bisher.
Die allgemeine Meinung war: Ja, dumm gelaufen, dass das Virus in die Altenheime gekommen ist, aber auf lange Sicht wird Schweden besser durchkommen als alle anderen LĂ€nder.
Zum Sommer hin entspannte sich die Situation auch hier und die Schweden âisoliertenâ sich, wie jedes Jahr, in ihren SommerhĂ€usern.

Phase 2 (September bis Dezember):
Es wird jetzt noch mehr empfohlen von zuhause zu arbeiten. Das âwer kannâ macht aber weiterhin eine breite Interpretation möglich und durch den hohen Druck in der Wissenschaft, meinen die meisten meiner Kollegen, sie könnten nicht von zuhause arbeiten. Das Leben geht weiter wie bisher.
Das Privatleben soll weiterhin in die Natur verlegt werden. Gut, dass es davon in Schweden so viel gibt und dass wir es gewohnt sind, viel drauĂen zu sein. Fahrradtouren, SpaziergĂ€nge, Grillen.
Die Fallzahlen steigen und mit jedem Tag sinkt die Wahrscheinlichkeit ĂŒber Weihnachten nach Deutschland kommen zu können. Zum Black Friday sind die StĂ€dte gefĂŒllt. Die Fallzahlen steigen nun rapide. Erst zwei Wochen vor Weihnachten fangen viele an im Bus und im Supermarkt Maske zu tragen und mehr von zuhause zu arbeiten.
Zum GlĂŒck bringt der Dezember die WinterkĂ€lte mit sich. Wir können Schlittschuhfahren und den Grillplatz mitten auf den See verlegen.
Weihnachten feiern wir in Schweden. Ganz traditionell mit Schnee.

Phase 3 (Januar bis MĂ€rz):
Obwohl der Nutzen von Masken weiterhin offiziell infrage gestellt wird, ist das Tragen der Maske seit Mitte Januar in öffentlichen Verkehrsmitteln Pflicht. Zumindest zur Rush Hour. Etwa 50% halten sich dran.
Auf der Arbeit erkennt man auch langsam den Ernst der Lage – zumindest ein bisschen: Da weiterhin drei Viertel meiner Kollegen regelmĂ€Ăig ins Labor kommen, sollen wir nun auĂerhalb des BĂŒros Masken tragen.
Unsere Freunde treffen wir weiterhin nur drauĂen. Skifahren, grillen. Eigentlich hat keiner mehr Lust. Der Winter zieht sich. Aber nun steht die Sonne jeden Tag ein bisschen höher. In ein paar Wochen, wenn die Plusgrade kommen und der Schnee schmilzt, wird es zumindest wieder leichter sich drauĂen zu treffen. Und eigentlich sind wir immer noch dankbar, dass wir so viel Natur direkt vor der HaustĂŒr haben.
Und wenn der FrĂŒhling dann da ist, ist der Sommer nicht mehr weit. Und dann kann ich vielleicht, vielleicht meine Familie in Deutschland wiedersehen.

Noemi, Nordschweden
Kontraste der Pandemie
von Catharina Deege, Argentinien im MĂ€rz 2021, Abi 2017
Einmal im Jahr reise ich nach Deutschland zurĂŒck, meistens ĂŒber die Weihnachtszeit. So war ich auch Anfang des Jahres 2020 in Hannover, bis ich am ersten Februar wieder in Buenos Aires ankam. Ich kann mich noch genau erinnern, wie sehr ich mich auf ein neues Jahr in dieser unfassbar aufregenden Stadt freute. WĂ€hrend der Reise hatte ich ein leicht mulmiges GefĂŒhl im Magen, da ich am Flughafen Frankfurt umsteigen musste und schon Ende Januar die ersten Corona-FĂ€lle in der Bundesrepublik auftauchten. Dass diese anfĂ€ngliche Epidemie so ausartet, hĂ€tte ich mir zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ausmalen können.
Der Februar und MÀrz waren wunderschön; gerade hatte ich angefangen, in meiner neuen Stelle als Kulturredakteurin einer Zeitung in Buenos Aires tÀtig zu sein. Filmfestivals, Interviews, der wöchentliche Barbesuch mit den Kollegen und plötzlich: Stille.
In der Nacht des 19. MĂ€rz 2020 verabschiedete StaatsprĂ€sident Alberto FernĂĄndez das alles verĂ€ndernde Covid-Notstandsdekret – und das, obwohl es in Argentinien selbst kaum FĂ€lle gab.
BĂŒrger und BĂŒrgerinnen sollten von zuhause aus arbeiten, touristische Reisen wurden komplett untersagt. Was folgte war ein Durcheinander an FlughĂ€fen, Polizeikontrollen an fast jeder StraĂenecke und eine betĂ€ubende Stille in meiner kleinen Einzimmerwohnung.

GlĂŒcklicherweise hatte ich einen Balkon und war nicht allein. Somit verbrachte ich die ersten Wochen der QuarantĂ€ne an der frischen Herbstluft. Mein Freund und ich genossen es, uns richtig viel Zeit zum Kochen zu nehmen, laut Musik zu hören und abends bis spĂ€t in die Nacht islĂ€ndische Krimiserien auf Netflix zu schauen. Kurze Zeit spĂ€ter jedoch wurde die ausgerufene QuarantĂ€ne verlĂ€ngert, und verlĂ€ngert, und wieder verlĂ€ngert. Es schien kein Ende zu nehmen, ich fĂŒhlte mich allmĂ€hlich wie gelĂ€hmt.
Dazu kam, dass ich den Vergleich mit Deutschland geradezu jeden Tag vorgefĂŒhrt bekam. Durch die sozialen Medien bekam ich mit, wie sich meine Freundinnen auf der anderen Seite der Erdkugel nach einer recht kurzen QuarantĂ€ne wieder auf Kaffees trafen, in den Park gingen, manche sogar in den Urlaub nach Spanien flogen.
Nicht nur einmal spielte ich in der Zeit mit dem Gedanken, wieder in meine Heimat zu reisen. In Argentinien hielt mich jedoch die naive Hoffnung, dass sich alles ganz bald bessern wĂŒrde. AuĂerdem bin ich nun einmal vor vier Jahren ausgewandert und machte mir somit selbst Druck, die politischen BeschlĂŒsse dieses Landes ertragen zu mĂŒssen. Ich wollte neben dem vielen Schönen was ich hier erlebte auch dem HĂ€sslichen standhalten.

Oft zerbrach ich mir den Kopf ĂŒber diese sinnlos verlĂ€ngerte, extrem strikte QuarantĂ€ne. Der mir anfĂ€nglich durchaus sympathische argentinische PrĂ€sident verwandelte sich fĂŒr mich in ein Monster. WĂ€hrend er fröhlich weiter durch das Land reiste, steckten die meisten Einwohnerinnen in ihren Wohnungen fest, durften sich nicht weiter als zum nĂ€chsten Lebensmittelladen weg bewegen. Ab und zu traf ich mich mit einer deutschen Freundin auf Supermarkt-Dates. Wir taten so, als wĂŒrden wir im selben Haushalt wohnen und schlenderten langsam durch die Regale. Man redete mit Mundschutz inmitten der GemĂŒseabteilung ĂŒber seine GefĂŒhlswelt. Sie reiste kurz danach, etwa Mitte Juni mit einem RĂŒckholflug der Bundesregierung nach Berlin. Heute ist von den strengen Auflagen des vergangenen Jahres kein bisschen mehr zu spĂŒren. 155 Tage nach Beginn der offiziellen QuarantĂ€ne in der Hauptstadt erklĂ€rte FernĂĄndez das Ende der Kontrollen und BewegungsbeschrĂ€nkungen. Ehrlich gesagt hatte sich schon Wochen vorher das Leben etwas normalisiert. Restaurants und Bars wurden geöffnet, die Flugzeuge der nationalen Airline âAerolĂneas Argentinasâ stiegen wieder in die Höhe und in Fitnessstudios konnte man wieder gemeinsam schwitzen. Meine alte Wohnung musste ich gehen lassen, zu eng kam sie mir vor und zu bedrĂŒckend waren die Erinnerungen an die elendig lange QuarantĂ€ne des vergangenen Jahres.

Mittlerweile bin ich umgezogen, treffe mich viel mit Freunden. Selbst die Nachtclubs sind geöffnet, wobei ich danach noch keinen groĂen Drang verspĂŒre. Es ist schlieĂlich nicht so, als wĂŒrden die FĂ€lle hier nicht rasant steigen: Der Winter steht vor der TĂŒr und von den britischen und brasilianischen Virusmutationen blieb auch Argentinien nicht verschont. Etwa 16.000 Neuinfektionen wurden am 31. MĂ€rz verzeichnet, und das, obwohl es vor einer Woche gerade einmal halb so viele waren. Sorge bereiten einem seit Beginn der Pandemie die âbarrios popularesâ, umgangssprachlich auch âVillasâ genannt. Als das Coronavirus in die Marginalsiedlungen eintrat, breitete es sich in Windeseile aus. Die argentinischen Elendsviertel, die aufgrund ihrer Historie in etwa mit den aus Brasilien bekannten âFavelasâ vergleichbar sind, verfĂŒgen ĂŒber keine ausgereifte Infrastruktur. In der bekanntesten Siedlung im Raum Buenos Aires, der âVilla 31â in NĂ€he des Omnibusterminals, gab es genau zum Zeitpunkt der ersten vernommenen Covid-19-Ansteckungen im Mai 2020 kein flieĂend Wasser. Dabei ist das grĂŒndliche HĂ€ndewaschen Bestandteil jeder Hygienevorschrift und ein wichtiger Faktor, wenn es um die Vermeidung von Ansteckungen geht. Dazu kommt, dass die Bewohnerinnen der âbarriosâ trotz strenger QuarantĂ€ne in der Innenstadt unterwegs waren. Viele bangten um ihre Existenz, konnten ihre Arbeit nicht mehr ausĂŒben oder taten dies auf illegalem Wege.
ExistenzĂ€ngste sind in Argentinien in fast jeder Gesellschaftsschicht bemerkbar. Das Land rutscht von einer wirtschaftlichen Krise in die nĂ€chste, ohne sich jemals erholen zu können. Dazu kommt eine extreme gesellschaftspolitische Spaltung. Die Demonstrationen wĂ€hrend der QuarantĂ€ne konnten selbst Regierung und Polizei nicht unterbinden. Das wĂ€re fĂŒr das argentinische Volk eine ziemlich brutale UnterdrĂŒckung ihrer Protestkultur.
Was hat sich also innerhalb eines Jahres alles verĂ€ndert? Die Schulen sind zwar wieder geöffnet, doch UniversitĂ€ten weichen derzeit noch auf das virtuelle Programm aus. Masken sind – wie hoffentlich ĂŒberall auf der Welt – Teil der neuen NormalitĂ€t, vor der Supermarktkasse bildet Klebeband auf dem Boden den Abstand zum nĂ€chsten Kunden oder Kundin ab und das sozialste GetrĂ€nk Argentiniens, der âMateâ-Tee, wird nicht mehr mit Fremden geteilt.

Es hat sich einiges verĂ€ndert. Mir wĂŒrden noch unzĂ€hlige kuriose Geschichten einfallen. Feststeht, dass es in Zeiten von sich tĂ€glich Ă€ndernden Gesetzen ermĂŒdend und gleichzeitig unglaublich spannend ist, im Ausland zu leben.
Catharina Deege, Buenos Aires
Meine Reise in Neuseeland – mit Corona im GepĂ€ck
von Alexa MeiĂner, Abitur 2019
Als weltweit die ersten Covid19-FĂ€lle bekannt wurden, befand ich mich gerade mit meiner Freundin Franka am anderen Ende der Welt. Gemeinsam hatten wir beschlossen, nach dem Abitur fĂŒr ca. neun Monate nach Neuseeland zu reisen, um herausfinden, wie die Welt auf der anderen Seite des Globus so aussieht. Dort angekommen, kauften wir uns unser eigenes Auto mit eingebauter KĂŒche im Kofferraum und einer ausgebauten InnenflĂ€che zum Schlafen.

Wir verbrachten die NĂ€chte auf kostenlosen CampingplĂ€tzen (manchmal sogar mit akzeptablen Toiletten!), wuschen uns in Seen oder FlĂŒssen, gingen in Neuseelands einzigartiger Natur wandern, arbeiteten auf neuseelĂ€ndischen Farmen und lernten viele neue Leute kennen.


Als sich die Lage Mitte MĂ€rz in Deutschland zuspitzte und die Goetheschule das erste Mal schlieĂen musste, hatten wir bereits sieben Monate reisend und arbeitend in Neuseeland verbracht und bis dahin wenig von der neuartigen Lungenkrankheit mitbekommen. Durch Neuseelands abgeschiedene Lage gab es dort erst Ende Februar â also gut einen Monat spĂ€ter, als in Deutschland – den ersten Coronafall. UngefĂ€hr zeitgleich mit der SchulschlieĂung hier, wurden in Neuseeland die ersten leichteren MaĂnahmen getroffen, wie zum Beispiel der begrenzte Verkauf von Konserven, Mehl und Hefe im Supermarkt. Obwohl weiterhin nur vereinzelte FĂ€lle in den gröĂeren StĂ€dten auftraten, gab die neuseelĂ€ndische Premierministerin Jacinda Ardern am 21.03.20 bekannt, dass ab sofort ein Stufenplan in Kraft treten sollte, der die Schutz- und EindĂ€mmungsmaĂnahmen definierte, die je nach Notwendigkeit ergriffen werden sollten. Mit der Bekanntgabe wurde direkt Stufe 2 (von 4) eingefĂŒhrt und verkĂŒndet, dass ab dem 26.03.2020 fĂŒr mindestens vier Wochen die höchste Stufe in Kraft treten solle, da statistische Vergleiche mit anderen LĂ€ndern zeigten, dass Neuseeland sich durch die exponentielle Ausbreitung zeitlich nur ungefĂ€hr 1-2 Wochen hinter GroĂbritannien befand, wo das Virus mittlerweile wild wĂŒtete. Die höchste Stufe bedeutete eine strikte Ausgangssperre. Alle LĂ€den mussten schlieĂen, die komplette Wirtschaft wurde heruntergefahren. Es war den Leuten nur erlaubt, zum Einkaufen oder zum Einzelsport das Haus zu verlassen. UngĂŒnstigerweise bekamen wir von diesen neuen Entwicklungen ĂŒberhaupt nichts mit. Da die Lage in Neuseeland zu diesem Zeitpunkt noch sehr entspannt war und die wenigen FĂ€lle ausschlieĂlich auf der anderen Seite Neuseelands (SĂŒdinsel) vorkamen, brachen wir genau an dem 21.03.20 mit unseren zwei Freunden Vincent und Justus, die wir am Anfang unserer Reise kennengelernt hatten, frĂŒhmorgens zu einer viertĂ€gigen Wanderung um den Lake Waikaremoana auf. Am zweiten Abend spielten wir im Gemeinderaum einer WanderhĂŒtte Karten und fragten zwei andere Wanderer am Nachbartisch, ob sie Lust hĂ€tten, sich zu uns zu setzen. So lernten wir Wolfgang und Julius, ebenfalls zwei Reisende aus Deutschland, kennen.
SpĂ€ter am Abend kam ein Ranger an der HĂŒtte vorbei und erklĂ€rte uns, dass aufgrund der Pandemie die Wanderroute und somit alle HĂŒtten unmittelbar schlieĂen wĂŒrden. Ein Wassertaxi brachte uns also am nĂ€chsten Morgen quer ĂŒber den See zu unserem Startpunkt zurĂŒck, von wo wir zu sechst in die nĂ€chste Bibliothek mit Computer fuhren, um uns auf den neusten Stand zu bringen. Wir erfuhren dort – zwei Tage vor Beginn – von dem bevorstehenden Lockdown. Da wir Neuseeland planmĂ€Ăig in 5-6 Wochen verlassen wollten, der Lockdown ohnehin schon fĂŒr mindestens vier Wochen angesetzt war, sich die Lage offensichtlich zuspitzte und auch immer mehr Airlines den Betrieb einschrĂ€nkten oder ganz aussetzten, stand fĂŒr uns alle sechs auĂer Frage, dass der Lockdown das frĂŒhzeitige Ende unserer Reise bedeutete. Doch jetzt musste es schnell gehen. Wir hatten noch zwei Tage, um das Notwendigste einzukaufen (trotz BeschrĂ€nkungen wurden auch die Regale in Neuseeland immer leerer), in die NĂ€he des internationalen Flughafens nach Auckland zu fahren (das bedeutete eine Autofahrt von ca. 6 Stunden), das Auto zu verkaufen und uns eine bezahlbare Bleibe fĂŒr die nĂ€chsten Wochen zu suchen. Ein sportlicher, doch auch alternativloser Plan, den wir verhĂ€ltnismĂ€Ăig gut in die Tat umsetzen. Wir fuhren die Strecke noch am selben Tag und machten frĂŒh am nĂ€chsten Morgen das Auto verkaufsbereit. PlanmĂ€Ăig wollten wir den Campervan an andere Backpacker weiterverkaufen, doch unter diesen UmstĂ€nden blieb uns nichts anderes ĂŒbrig, als zu einem von noch wenig offenen AutohĂ€ndlern zu fahren. Mit sieben weiteren Backpackern im RĂŒcken, die ebenfalls ihr Auto loswerden wollten, und dem bevorstehenden Lockdown hatten wir gar keinen Verhandlungsspielraum und machten finanziell einen riesigen Verlust. Wir sahen bei demselben HĂ€ndler genau unseren Wagen mit mehr gefahrenen Kilometern fĂŒr den 6-fachen Preis. WĂ€hrend wir mit dem Autoverkauf beschĂ€ftigt waren, fand Wolfgang ein bezahlbares Airbnb, das wir vorlĂ€ufig fĂŒr eine Woche buchten.

Wir wussten, dass wir nichts an dem Virus und an den Todesopfern weltweit Ă€ndern können und so beschlossen wir, aus allem das Beste zu machen. Wir eröffneten unsere Lockdownzeit mit selbstgekochtem Chili, aufheiternden GetrĂ€nken und einem langen Spieleabend. Es war paradoxerweise der Beginn einer ungewöhnlichen, aber guten Zeit, die man so wahrscheinlich nur selten erlebt. Wir tĂŒftelten eine âLockdown-Olympiadeâ aus und ĂŒberlegten uns Minispiele, bei denen wir immer wieder gegeneinander antraten. Mit nur den nötigsten Utensilien im Rucksack und einer ganztĂ€gigen Ausgangssperre, waren wir in unserer BeschĂ€ftigungswahl zwar sehr eingeschrĂ€nkt, doch wir lieĂen uns dadurch kaum beeindrucken. Der KreativitĂ€t waren dabei keine Grenzen gesetzt. Wir spielten mit einem zufĂ€llig gefundenen Flummi, Notizblöcken und einem Netz aus GetrĂ€nkekartons Tischtennis, bauten uns aus Schuhen, Kronkorken und BĂŒchern eine eigene Airhockey-Anlage, spielten Sockengolf und lieĂen EiswĂŒrfel um die Wette tauen. Jeden Abend veranstalteten wir ausgedehnte Spieleabende bis frĂŒh in den Morgen hinein und hielten uns so mit unzĂ€hligen Karten- und WĂŒrfelspielen, der Olympiade und gemeinsamem Kochen beschĂ€ftigt. Jeden Tag hielt Jacinda Ardern um 13 Uhr eine öffentliche Pressekonferenz zu den neusten Entwicklungen ab und es entwickelte sich zur Tagesroutine, dass wir uns âmorgensâ zu dieser Pressekonferenz und einem gemeinsamen FrĂŒhstĂŒckstoast im Wohnzimmer trafen, doch mindestens einer verschlief eigentlich immer.

Da unser gebuchter RĂŒckflug seitens der Airline bereits gestrichen worden war und die Airlines, die noch zwischen Neuseeland und Deutschland flogen, lĂ€ppische 10-15 Tausend Euro pro Ticket nahmen, warteten wir wĂ€hrend des gesamten Lockdowns auf Neuigkeiten vom AuswĂ€rtigen Amt. Weltweit waren mittlerweile die RettungsflĂŒge gestartet und auch wir konnten uns online schon auf Listen eintragen. Aus Facebookgruppen wussten wir, dass die ersten gestrandeten Deutschen in Neuseeland bereits Mails mit Flugterminen erhalten hatten. In der Regel kamen diese Mails zwei Tage vor dem Abflugdatum. Zwischendurch verbot die neuseelĂ€ndische Regierung das Abfliegen von deutschen CharterflĂŒgen, sodass sich alles noch einmal um 4-5 Tage verschob. Obwohl wir eine sehr gute und gesellige Zeit hatten, wurden wir zunehmend ungeduldiger. Wir wussten, dass sich unsere Familien zu Hause wegen unvorhersehbarer VerĂ€nderungen sorgten und uns gerne zu Hause wissen wĂŒrden, und auch das Airbnb wurde mit den Tagen nicht gĂŒnstiger. ZusĂ€tzlich war stets unklar, fĂŒr wie viele Tage wir die Wohnung eigentlich noch buchen mussten und wir standen daher in einem regelmĂ€Ăigen Kontakt mit dem Vermieter. Nach 14 Tagen erhielten dann Justus und Vincent endlich einen Flugtermin. Um fĂŒnf Uhr morgens starteten die beiden zum Flughafen. Wir waren nach deren Abfahrt gerade ins Bett gegangen, als plötzlich Frankas Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war ein Mitarbeiter des AuswĂ€rtigen Amts. Im Flugzeug nach Deutschland seien unerwartet PlĂ€tze freigeblieben und wenn es uns möglich wĂ€re, in 30 Minuten am Flughafen zu sein, könnten wir noch mitfliegen. Noch wĂ€hrend Franka telefonierte und fragte, ob wir noch zwei Freunde mitbringen könnten, fing ich schon an, eilig unsere RucksĂ€cke zu packen. Da der Weg zum Flughafen mit dem Auto ungefĂ€hr 20 Minuten dauerte, hatten wir also noch zehn Minuten Zeit, um unsere Sachen zu packen, ein Taxi zu rufen, unseren Vermieter zu erreichen und die Wohnung auf Vordermann zu bringen. Den letzten Punkt mussten wir leider etwas vernachlĂ€ssigen und auch der Vermieter ging nicht ans Telefon. Wir legten die Miete fĂŒr die letzten Tage also einfach auf den Esstisch und stĂŒrmten zu viert aus der Wohnung. Am Flughafen warteten wir eine geraume Zeit im Eingangsbereich, bis ein Angestellter kam und uns erklĂ€rte, dass es ein MissverstĂ€ndnis zwischen der Airline und dem Organisationsteam gegeben hĂ€tte und nicht einmal alle offiziell gelisteten Leute mitfliegen könnten. Er zog jedoch einen Zettel aus seiner Jackentasche, fragte nach unseren Namen und Handynummern und gab uns sein Versprechen, dass er uns als Erste kontaktieren wĂŒrde, wenn wieder PlĂ€tze freibleiben sollten. Nach seiner eigenen Aussage passiere dies eigentlich jeden Tag. Darauf vertrauend fuhren wir nicht in unsere Wohnung zurĂŒck, sondern zogen in ein gĂŒnstiges Hotelzimmer mit vier Betten direkt neben dem FlughafengebĂ€ude. Am nĂ€chsten Morgen klingelten dann tatsĂ€chlich nacheinander unsere Handys und wenig spĂ€ter standen wir in der Schlange fĂŒr die Flugtickets. Doch erst, nachdem am nĂ€chsten Schalter auch der Sitzplatz auf dem komplett handschriftlich ausgestellten Flugticket eingetragen worden war, konnten wir uns ganz sicher sein, tatsĂ€chlich mitfliegen zu können.

Und so kam es, dass wir genau an Frankas 19. Geburtstag im Flugzeug nach Hause saĂen. Leider hatten Franka und ich keine SitzplĂ€tze nebeneinander bekommen und so sahen wir uns erst nach einem 24-stĂŒndigen Flug im Frankfurter Flughafen wieder.
Zusammenfassend lĂ€sst sich sagen, dass Corona uns viel Negatives beschert hat: Wir konnten uns Neuseeland als Land nicht zu Ende anschauen, mussten unseren geplanten Zwischenstopp auf Bali streichen, machten finanzielle Verluste und ich stehe noch heute in einem regen Austausch mit dem ReisebĂŒro, um das Geld fĂŒr den gestrichenen RĂŒckflug erstattet zu bekommen. Doch wir gewannen durch diesen unvorhergesehen Pandemieeinbruch auch zwei neue Freunde, zwei einzigartige Wochen und eine Geschichte zum ErzĂ€hlen.
Alexa MeiĂner, Hannover im April 2021