Hamlet: Eine der bedeutendsten, meistgespielten und am meisten zitierten Tragödien von William Shakespeare, die seit über 400 Jahren Menschen zum Lesen, Spielen, Analysieren, Interpretieren, Neuinszenieren und Zitieren anregt. Jährlich widmen sich allein etwa 500 wissenschaftliche Veröffentlichungen der Tragödie.
Shakespeares Hamlet ist ein Stück der Superlative, das hohe Erwartungen weckt und somit eine enorme Fallhöhe birgt. Die English Drama Group stand zweifellos vor einer großen Herausforderung.
Unter besonderem Druck stand vermutlich Cedric Gellert, der die Rolle des Hamlet überzeugend verkörperte. Er mimte den schleichenden inneren und äußeren Zerfall der Hauptfigur authentisch. Sein Ringen und Tanz mit dem Wahnsinn wurden eindringlich dargestellt. Der Wahnsinn, der bei Hamlet anklopft, ihn zernagt und letztendlich überwältigt, wurde durch die Darstellung von Letizia Trovato, die den Geist des Vaters von Hamlet spielte, symbolisiert. Beeindruckend bleibt sie auch im Hintergrund in der Eigentümlichkeit ihrer Bewegungen vollends das gesamte Stück über in ihrer Rolle.
Als wahres Multitalent zeigte Shiva Asadbeck in der Rolle der Ophelia bewegende Gesangs- und Tanzdarbietungen. Wer die Aufführungen der EDG kennt, wird festgestellt haben, dass die Dichte und Vielfalt der Tänze stark zugenommen haben. Dieses Element, das zu bewahren lohnenswert ist, sorgte für gelungene Unterbrechungen und verlieh der Tragödie einen modernen Anstrich.
Ebenso neu war die musikalisch herausragende Unterstützung durch die Band der Ehemaligen (Julia Baranowska, Dennis und Robin Abresch, Dominik Reinmann, Marlene Mesa, Nicole Vovk)), die die emotionalen Höhepunkte der Aufführung vertieften und teilweise auch übersetzten. Denn trotz der Bekanntheit des Stücks bleibt der hohe sprachliche Anspruch des Textes sowohl für Schauspieler:innen als auch für Zuschauer:innen bestehen. Hierbei war auch die herausragende Technik (Louis Schmidt, Fritz Doeleke, Eric John, Liam Gisi, Matthias Ahrens) eine gute Übersetzungshilfe, indem sie durch Hintergrundtext, Licht und den Einsatz von Musik half, sprachliche Barrieren zu überwinden.
Die humoresken Einlagen von Caspar Bosse, Han Mio Redecke, M. Pogrebnyak und Jonas Müller in den Rollen von Rosencrantz, Guildenstern, Horatio und Polonius brachten dem Publikum viele Lacher und passten sicherlich ganz im Sinne Shakespeares zum humorvollen Teil der Tragödie. Das befreite Spiel des Ensembles hob insgesamt den humorvollen Aspekt der Tragödie besonders hervor. Jan Beckermann, der die Rolle des Laertes ohne Konventionen begleitete, ist hier besonders zu erwähnen.
Dagegen bewahrte Lucia Luislampe als Königin Gertrude stets ihre Fassung, was besonders angesichts des Spiels von Artur Mayzels in der Rolle ihres Gatten Claudius zu bewundern ist: Denn durch seinen konsequent durchgehaltenen schottischen Akzent verlieh er der Figur eine unterhaltsame Albernheit.
Das Lob für Einzelne könnte endlos fortgeführt werden. Dies verdeutlicht, dass der Erfolg dieser Aufführung klar eine Ensembleleistung ist. Sowohl die kleinen als auch die großen Rollen, die Musik, der Tanz und die Technik greifen in dieser Inszenierung sichtbar, hörbar und spürbar ineinander. Alle scheinen uhrwerksgleich miteinander verbunden.
Dass die Verbundenheit zur EDG über die Schulzeit hinausgeht, zeigt sich im fortwährenden Einsatz unserer Allstars (EDG-Band (s.o.), Awena Voigt, Viviane Liebig, Valentin Ratiu, Niclas Gellert, Jan Beckmann), die die EDG auch in diesem Jahr musikalisch und schauspielerisch unterstützten.
Ein Name darf jedoch trotz herausragender Teamleistung nicht unerwähnt bleiben: Ilka Springmann. Als Regisseurin der Goetheschule treibt sie ihr Ensemble und alle Mitarbeitenden wertschätzend zu Höchstleistungen an: Die Uhrmacherin des Uhrwerks, die weiß, dass auch das kleinste Rädchen zum Funktionieren des Ganzen beiträgt und unersetzlich ist.
Im Rahmen der Premiere erinnerte Ilka Springmann an die Anfänge der EDG unter Hans Werner, dem sie dafür dankte, das Ensemble ins Leben gerufen zu haben. Dass sie Hamlet auf den Spielplan gesetzt hat, darf auch als Würdigung seiner Arbeit gelesen werden.
Insgesamt wurde das Ensemble unter Leitung von Ilka Springmann der Tragödie mehr als gerecht und lieferte eine gelungene Neuinszenierung des „Hamlet“ ab, die Lust macht, sich weiterhin mit „Hamlet“ auseinanderzusetzen, und seine Bedeutsamkeit offenbarte.
Text: Florentina Koch
Fotos & Trailer: Michael Gellrich