„Ich schrie, drehte mich um und lief davon. Ich konnte den Anblick meines toten Vaters nicht mehr länger ertragen, weil ich wusste, was das bedeutet. Meine Mutter, die vor einem Jahr gestorben war, sagte damals: `Liz, ich und dein Vater sind alt, bald wirst du den Hof übernehmen müssen.´ Ich habe mich immer davor gefürchtet so viel Verantwortung zu tragen.
Nun war es so gekommen und ich wusste nicht, was ich hätte tun sollen. Also guckte ich in die verzweifelten Gesichter meiner zehnjährigen Schwestern Lea und Mia, die draußen auf der Weide saßen und weinten, und lief weiter. Ich wollte einfach nur weg, durch den Wald und weiter. Langsam wurde das kleine Bauernhaus, indem ich schon mein ganzes Leben verbracht hatte, kleiner.“

So beklemmend beginnt die Geschichte, die Solveig Homeister (7b) dem Gemälde Otto Modersohns, Moorlandschaft (1903), entnommen hat. Mit 8 weiteren Mitschülerinnen der Goetheschule hatte sie sich auf den Weg in die Landesgalerie Hannover gemacht, um die „Bilder zum Sprechen [zu] bringen“, wie der Workshop im Rahmen der Begabungsförderung benannt worden war. An sechs langen Winternachmittagen trafen sich die Schülerinnen der Jahrgänge 5 bis 7, um von erfahrenen Museumspädagogen und Künstlern in die Geheimnisse der Landschaftsmalerei eingeführt zu werden. Von Anfang an stand die praktische Arbeit im Vordergrund, Farben mischen, Skizzen anfertigen, und am Ende ein eigenes großformatiges Landschaftsbild auf Leinwand herzustellen.

Aber nicht nur gemalt sollte werden. Ziel des Workshops war ja auch, die in den Gemälden der Landesgalerie enthaltenen Geschichten zu entdecken und ihnen Sprache zu verleihen. Auch für dieses Ziel musste geübt werden: Wie erzählt man eine spannende Geschichte, mit welchen Kniffen arbeiten Schriftsteller? Dann galt es unter den Landschaftsbildern in der Landesgalerie eines auszuwählen, das bereit war, sich zu öffnen, eine Geschichte zuzulassen. Otto Modersohns Bild übrigens wurde gleich von mehreren Teilnehmern gewählt.

Fünf Wochen dauerte der Workshop, der am Ende noch um einen Nachmittag verlängert werden musste. Nachmittage, die in einer entspannten Ruhe abliefen, die weit weg war von der deutlich aufgeregteren Anspannung, die im Schulalltag herrscht. Der Kontrast zu den bereits hinter den Schülerinnen liegenden sechs Unterrichtsstunden am Vormittag konnte nicht schärfer sein. Außerschulisches Lernen kann schon ganz schön beeindruckend sein. Beindruckt waren auch die Leute vom Museum, die der Arbeit der Goetheschülerinnen viel Lob zollten.
Text: Heide Bleck, Walter Schedlinsky